entstand im September 2001 als eine Reaktion auf die globalisierungskritischen Proteste in Genua,
welche die Gründung einer Vielzahl von attac-Gruppen und AGs in Deutschland auslösten. Dennoch ist die AG Ökonomisierung keine „typische“ oder „klassische“ attac-AG. Dies bedeutet erst mal, dass wir
Mitglieder sehr unterschiedliche Beziehungen zu attac und seinen Positionen haben. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit einem Gegenstand, der nicht unbedingt zu den Themen gehört, mit denen attac bislang
assoziiert wird (wie „Finanzmärkte“, „Globalisierung und Krieg“, „Nord-Süd-Thematik“ etc.) – gleichwohl denken wir, dass „Ökonomisierung“ ein Phänomen ist, dass auch diesen „klassischen“ attac-Themen
zugrunde liegt. Schon der Name unserer AG verweist darauf, dass es uns vor allem um die intellektuelle Durchdringung eines sehr komplexen Phänomens geht, das sich einer für-oder-gegen-Kategorisierung völlig
entzieht. So sehr wir uns oft einfache Antworten wünschen – die Beschäftigung mit unserem Thema zeigt uns immer wieder, dass es auf die meisten unserer Fragen keine einfachen Antworten geben kann. Wir
denken, dass dies auch für andere Bereiche der Globalisierungskritik gilt und hoffen, dass sich das Bewusstsein für die Komplexität der Verhältnisse konstruktiv mit einer kreativen und offensiven
Widerstandspraxis - für die attac steht - verbinden lässt. |
In den alle zwei Wochen stattfindenden Treffen geht es nicht nur um politische, ökologische oder
soziale Fragen der Globalisierungskritik, sondern auch um die kulturellen und philosophischen Implikationen einer Kapitalismuskritik, die die Universalisierung des Marktes anerkennt und versucht der Kritik
eine Form zu geben. Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Dieses ambitionierte Ziel wurde bisher noch nicht erreicht und schon manches Mal aus den Augen verloren, aber unsere etwa 15köpfige Gruppe
versucht durch die Lektüre meist aktueller Bücher (Richard Sennett, Vivien Forester, Ingried Kurz-Scherf, Oskar Negt, Robert Kurz, Jeremy Rifkin, …) und Diskussionen am Ball zu bleiben. Darüber hinaus haben
wir uns mit kleineren Aktionen an Veranstaltungen wie der Vortragsreihe „Gegenstimmen“ oder der Demonstration anlässlich des SPD-Sonderparteitags am 1.6. beteiligt und planen dies im Rahmen der Projektgruppe
„Agenda 2010“ fortzusetzen. |
Es gibt für diesen Begriff nicht eine einzige, „wahre“ Definition, an dieser Stelle
soll nur kurz eine kleine Abgrenzung vorgenommen werden, um Missverständnissen vorzubeugen. Eine Definition von
Ökonomisierung, der sich die gleichnamige Arbeitsgruppe von attac Berlin verpflichtet fühlt, bezieht sich auf die Arbeiten des französischen Philosophen Michel Foucault. In seinen Studien zur
Gouvernementalität hatte dieser Ende der siebziger Jahre Untersuchungen zum Begriff der „Regierung“ angestellt. Im Mittelpunkt stand dabei sein Konzept der Gouvernementalität, welches Aspekte des Regierens
(„gouverner“) mit der der Denkweise („mentalité“) verbindet und es erlaubt „soziale Beziehungen unter dem Blickwinkel der Menschenführung zu analysieren, und das Untersuchungsinteresse auf die systematischen
Beziehungen zwischen Macht und Subjektivität, Herrschaftstechniken und „Technologien des Selbst“ zu konzentrieren. In der deutschen Soziologie wurden diese Arbeiten Foucaults erst sehr spät
aufgegriffen; für die AG Ökonomisierung sind besonders die Aspekte von Interesse, bei denen es um die „Ökonomisierung des Sozialen“ geht. Diese wird als das Ziel eines Neoliberalismus verstanden, der in der
Form politischer Rationalität den Abbau staatlicher Leistungs- und Sicherungssysteme an den Appell an „Eigenverantwortung“ und den Aufbau selbstregulatorischer Kapazitäten koppelt. |
Beim Prozess der Ökonomisierung geht es also nicht um den zunehmenden Einfluss der Ökonomie auf das
Soziale, die Politik oder Kultur - eine solch offensichtliche Tatsache, dass sie kaum eines Hinweises bedarf. Es geht vielmehr darum, dass der Markt als das kapitalistische Ordnungsmoment schlechthin zu
„einer Art permanentem ökonomischen Tribunal“ (Foucault) geworden ist, vor dem jedeR nicht nur das eigene wirtschaftliche, sondern das gesamte Handeln verantwortet. Diese Universalisierung der
Marktmechanismen muss nicht mehr über simple Herrschaftstechniken der Obrigkeit (Staat, Regierung, Firma, Chef) vermittelt werden. Die (post-)moderne Formen des Regierens, die „Technologien des Selbst“
definieren sich laut Foucault darüber, dass sie es „Individuen ermöglichen, mit eigenen Mitteln bestimmte Operationen mit ihren Körpern, mit ihren eigenen Seelen, mit ihrer eigenen Lebensführung zu
vollziehen, und zwar so, dass sie sich selber transformieren, sich selber modifizieren und einen bestimmten Zustand von Vollkommenheit, Glück, Reinheit, übernatürlicher Kraft erlangen“ - Der Fremdzwang wird
zum Selbstzwang. |